Das bayerische „DU“
Was mir oft aufgefallen ist, ist dass die Bayern sich sehr schnell duzen. Besonders hier in Wasserburg ist es extrem. Sobald man ansatzweise im gleichen Boot sitzt oder gleichen Interessen hat, ist man per Du.
Da reicht es, wenn die Kinder eine gemeinsame Klasse besuchen oder man im gleichen Haus wohnt. Oder man ist Stammkunde in einem Geschäft. Dann heißt es DU.
Aber es gibt auch Ausnahmen. Die eine sind Lehrer oder andere „Respektspersonen“. Ich war mit der Lehrerin meines Sohnes zusammen Mutter von den Fußballvereinsmitgliedern. Sprich unsere Söhne haben zusammen Fußball gespielt. – Du oder Sie?
Der jetzige Englischlehrer meines Sohnes ist der Vater einer ehemaligen Klassenkameradin von ihm. In der Freizeit sind wir per Du. In der Schule? -Du oder Sie?
Der Anwalt unseres Hauses ist der Vater einer Klassenkameradin – Du oder Sie?
Eigentlich bin ich mit ihnen per Du. Bei allen anderen Eltern habe ich keine Hemmungen. Doch hier – da bin ich unsicher.
Es gibt noch einen Grund zu Siezen – man mag die betreffende Person nicht. Dann ist gerade der Wasserburger gerne per Sie. Dies bedeutet aber auch, dass es ein taktisches Du gibt. Egal ob mir der Mensch sympatisch ist oder nicht – er sitzt im Stadtrat und hat eine Wohnung im gleichen Haus wie wir – also sind wir sicher per Du – ich wäre ja sonst sauber blöd .
Für Außenstehende schwer zu begreifen
Gerade der letzte Punkt ist eine ziemliche Eigenheit, die nicht überall vorkommt. Auch in Nachbargemeinden nicht und kann schnell für Verwirrung sorgen. Was bedeutet das Du? Ist man wirklich befreundet? Oder ist es ein Du – weil man irgendwo im gleichen Boot sitzt. Und warum wird ein Miteigentümer oft gesiezt, obwohl alle anderen sich Duzen? Ich glaube das sorgt schnell für Verwirrung und an den o.g. Beispielen sieht man auch eindeutig, dass ich eine „Zugegzogene“ bin. Denn bei den Sonderfällen habe ich noch nicht alle Feinheiten durchschaut. Besonders eben beim Englischlehrer, mit dem ich schon per Du war.
Andere Ortschaften – andere Sitten?
Ehrlich gesagt, fühle ich mich eigentlich so sehr wohl damit. Auch wenn ich nicht 100% sicher bin. Es fördert den Gemeinschaftssinn und gibt unserer Stadt eine gewisse Lockerheit. Wasserburg ist in der Hinsicht ein echtes Dorf – nur ein wenig größer und mit Stadtrechten ausgestattet. Ich muss nur aufpassen, dass ich durch dieses Verhalten aber nicht woanders in Fettnäpfchen hupfe oder andere Personen damit überfalle.
Deshalb mal eine Frage – ist es bei Euch aus so – alle gleich per Du?
Da fällt mir gerade auf – ich fühle mich deshalb in der Blogsphäre so wohl, weil ich das Verhalten von meiner Heimatstadt her auch kenne. An Alle, bei denen das im Reallife nicht so läuft – hattet ihr am Anfang Probleme damit, dass sich alle Blogger und Co duzen? Würde mich echt mal interessieren.
7 Kommentare
Iris
Also ich bin im richtigen Leben eher der Sieztyp, außer beim Sport. Im Kollegenkreis lege ich sogar Wert darauf, mit bestimmten Leuten nicht per Du zu sein, weil ich ungern mit ihnen in einen Topf geworden werden will. Ich empfinde es auch z.B. in Geschäften als aufdringlich, wenn mich der Verkäufer duzt. Aus dem Alter und Kundenkreis bin ich einfach raus und ich empfinde es ist für mich respektlos.
Bei blogs fällt es mir aber gar nicht schwer zu duzen und ich würde es sogar merkwürdig finden, die Leute zu siezen. Das liegt sicher an dem Plauderton, der oft herrscht und auch an der Unverbindlichkeit, die das Netz bietet. Da ist das Virtuelle für mich Distanz genug.
Melanie
Ich glaube darin unterscheidet sich das bayerische Du vom normalen Du – es hat nichts mit Respekt zu tun und schon gar nichts mit Alter. Eher dürftest Du beleidigt sein, wenn du weiterhing gesiezt wirst 😉
Iris
Das muss ich mir dann wohl speziell für Wasserburg merken 😉 Ich denke mal, hier spielt Großstadt und in meinem Fall die relativ nördliche Lage auch eine Rolle.
Melanie
Das stimmt wohl, ist hier aber auch sehr extrem. Komme dann in anderen Regionen, in denen das auch gerne praktiziert wird, oder mit Älteren in dieser Hinsicht auch super klar.
Susanne K
In der Arbeit: unbedingt zunächst „Sie“ und auch sonst eher erst mal „Sie“ – zumindest von mir aus. Zumal ich da auch mal „schlechte“ Erfahrungen gemacht habe, denn gerade im Arbeitsleben gleich mit „Du“ anzufangen ist bei uns (ist halt da leider so) erst mal mit Respektverlusst, Außerhalb des Jobs, habe ich allerdings auch kein Problem damit, wenn micht andere dann „duzen“, dann „dutze“ ich zurück.
In der „Bloggerwelt“ – ich muss gestehen – kam ich gar nicht auf die Idee zum siezen.
Sabienes
Ich bin ja erst mit 15 nach Rosenheim gekommen.
Und der Umgang mit Du oder Sie werde ich wohl nie richtig lernen.
Wir haben mal in Niederbayern gewohnt, da war es auch so, wie du es schilderst oder sogar extremer. Wenn man gesiezt hat, war man entweder ‚a Depp‘ , ‚a Preiß‘ oder Arzt (oder alles miteinander).
Mein Mann, der Ur-Bayer der Familie, sagt: „Im Zweifelsfall immer Du!“
Meine Eltern haben mir genau das Gegenteil beigebracht.
Inzwischen bin ich ja in dem Alter, in dem ich jedem das ‚Du‘ anbieten darf 😉
Sabienes (darfst auch Du zu mir sagen, hihihi)
Melanie
Das ist schon wirklich so. Notfalls reicht als Begründung aus, dass man zusammen auf einem Planeten lebt um das Du zu nutzen. Im Zweifel kommt man in Bayern echt viel besser mit einem Du zurecht. Meine Eltern sind auch Preissn und hatten ihr Leben lang damit Probleme. Ich bin viel lockerer 😉